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NATO-Gipfel oder: Das Ergebnis des Schleimens

Gestern hat der Sender NBC gemeldet, dass die USA der Ukrsaine “bestimmte Raketen und Munition” nicht wie von Joe Biden zugesagt an die Ulraine liefern wird. Wie Trumps Verteidigungsminister Hegseth erklärte, sei der Grund, dass die USA selbst zuwenig Raketen und Munition hätten. Die stv. Pressesprecherin des Weißen Hauses, Anna Kelly erklärte dagegen, “Die Entscheidung wurde getroffen, um die Interessen Amerikas in den Vordergrund zu stellen, nachdem das Verteidigungsministerium die Unterstützung und Hilfe unserer Nation für andere Länder auf der ganzen Welt überprüft hatte.”

Nicht anderes, als “America first” also. Aufgrund der US-amerikanischen Raketen- und Munitionspotenziale ist auch ohne spezifische Überprüfung der Waffenart, die Washington aus Geheimschutzgründen verweigert, die Erklärung einer Knappheit völlig unglaubwürdig. Dieser Lieferstopp ist vielmehr nun offensichtlich eins der Ergebnisse des peinlichen NATO-Gipfels, auf dem die europäischen NATO-Partner meinten, durch die Vermeidung heikler Themen und stattdessen Übens schleimiger Demutsgesten vor dem Narzissten Trump, sich an den Plänen der US-Regierung und deren Auswirkungen vorbeimogeln zu können. An den ausbleibenden Waffenlieferungen und der Verschärfung der Angriffe durch Putin wird deutlich, dass diese Form der Appeasement-Politik gegenüber dem Putin-Kumpel und Willkürautokraten Trump zum Scheitern verurteilt ist.

Beginn einer kollektiven Problemverdrängung?

Wieso eigentlich, hat sich der NATO-Gipfel nicht mit der Frage befasst, wie durch organisierte gemeiname Anstrengungen Europas das absehbare Loch in der Unterstützung der Ukraine, dass die MAGA-Fanatiker der USA gerne in Kauf nehmen, zumindest vorläufig gestopft werden könnte? Nicht die einzige Frage, weshalb dieser NATO-Gipfel in der Geschichte  unter “außer Spesen nix gewesen” einsortiert werden muss. Jochen Luhmann schreibt im “Blog der Republik” von einem Scheinergebnis. Denn das 3,5% + 1,5% BSP – Ziel der Rüstungsausgaben bis 2035 war schon, so vermutet Luhmann, beim NATO-Gipfel am 5. Juni 2025 entschieden worden:

Deutscher Blankoscheck zur Aufrüstung?

Der deutsche Verteidigungsminister hat seine freihändige Zustimmung im Haushaltswert von rd. 300 Mrd. € gegeben, ohne Beteiligung mindestens des Haushaltsauschusses des Bundestages. Dabei hat er vermutlich gemeint, dafür mandatiert gewesen zu sein durch diese einschlägige Passage im Koalitionsvertrag:  „Die Höhe unserer Verteidigungsausgaben richtet sich nach den in der NATO gemeinsam vereinbarten Fähigkeitszielen.“ (Rz 4232/3)  Diese Formulierung besagt allerdings lediglich: Wenn der Bundesminister für Verteidigung den über gut zwei Jahre erarbeiteten Fähigkeitszielen zustimmt und diese so, trotz Veto-Rechts, zu „gemeinsam vereinbarten“ erst macht, dann sind die erforderlichen Geldflüsse, die Haushaltsansätze, zumindest für Deutschland gesichert. Fast überall anderswo in Europa sieht das deutlich anders aus und daraus erwächst ein Problem im Verhältnis Deutschlands zu seinen Nachbarn.”

Wie sind die Fähigkeitsziele konkret definiert und begründet?

Das Problem, wie begründet und in welcher Höhe angemessen die von der rot-schwarzen Bundesregierung beschlossenen Rüstungsmilliarden wirklich sind, bleibt indes im dunkeln. Das Bundeskabinett hat, wenn man Finanzminister Lars Klingbeil richtig versteht beschlossen:

„Die NATO-Quote erreicht mit dem 2. Entwurf zum Bundeshaushalt 2025 in diesem Jahr 2,4 Prozent und steigt auf Basis der Eckwerte auf 3,5 Prozent im Jahr 2029.“ 

Die Finanzplanung der Bundeswehr ist aber nur den Mitgliedern des Haushaltsausschusses und Verteidigungsausschusses offen zugänglich. Wieso werden aufgrund der der Öffentlichkeit zugänglichen Finanzplanungswerte die „vereinbarten Fähigkeitsziele“ bereits 2029 und nicht erst 2035 erreicht, also übererfüllt? Das ist durch den öffentlichen Teil des NATO-Beschlusses und durch den Koalitionsvertrag nicht gedeckt.

Zweifelhafte “Fähigkeitsziele” – fehlende solide Begründungen

Luhmann zieht sowohl die Fakten, die den “Fähigkeitszeilen”, zugrunde liegen, als auch die Begründungen der Aufrüstungsbestrebungen, mit denen Kanzler Merz die Bundeswehr “zur  stärkste Landarmee Europas” machen möchte, in Zweifel:

1. “Sie basieren auf einer unterstellten Größenordnung der Fähigkeiten Russlands, die im Jahre 2022 unter Leitung der Kommandeure der strategischen Kommandos SHAPE und ACT (Allied Command Transformation) durch deren US dominierten Stäbe formuliert worden sind – damals aber ging die US-Seite davon aus, dass die Hilfe des Westens im der Ukraine-Krieg Russlands zu einer erheblichen Dezimierung der Fähigkeiten Russlands führe – heute wird das deutlich anders gesehen, nun wird mit den zukünftigen Kapazitäten gemäß den Zubauraten der Waffenindustrie in Russland gerechnet.
# Die Annahmen zum Feindbild gehören öffentlich kommuniziert.

2. Sie basieren zudem auf der Unterstellung einer weitgehenden Konstanz der US-Fähigkeiten in Europa, aus hier stationierten Einheiten plus den Airlift-Kontingenten mit Vorab-gelagerter Ausrüstung. In Summe 40% der gesamten Fähigkeiten.
# Mit der Trump-Administration, mit den aktuellen Umbauplänen des Pentagon in Richtung China/Südostasien, ist dieser Unterstellung der Boden entzogen.

3. Sie basieren zudem vermutlich darauf, dass die sog. enabler-Fähigkeiten, über die außer den USA die restlichen NATO-Staaten nicht verfügen und die ein zentraler Hebel sind, die europäischen NATO-Staaten in Abhängigkeit von den USA zu halten, in Zukunft weiterhin von den USA zur Verfügung gestellt werden. Damit wird dem Ziel, diese Fähigkeiten für Europa selbst zu erwerben, nicht entsprochen.
# So zu rüsten, dass Europa weiterhin in Abhängigkeit von den USA bleibt, ist keine der Bedrohungslage angemessene Strategie.

4. Die Nachrüstungsstrategie in Form eines Zubaus von Fähigkeiten hat rational im Sinne von bedarfsangemessen zu sein. Dazu gehört nicht nur die Analyse der Fähigkeiten des Gegners und ein quantitativer Vergleich von Stärken an Soldaten und Waffenarten. Es gehört auch dazu ein Kriegsbild, d.i. dessen, wie die NATO mit den vereinbarten Fähigkeiten den Krieg ggfls. führen will, um mit ihrem Einsatz dem Gegner überlegen zu sein. Das aktuell unterstellte Kriegsbild ist vor gut 15 Jahren von den USA entwickelt worden und basiert zentral auf einer Überlegenheit in weitreichenden Waffen, um die gegnerische Luftverteidigung frühzeitig auszuschalten und damit die „Fehlform“ des Krieges, den statischen Stellungskrieg, wie wir ihn gegenwärtig in der Ukraine erleben, zu vermeiden. Dieses Kriegskonzept aber befeuert wegen des damit verbundenen Drucks zu Präemptionsschlägen eine instabile militärische Situation zwischen den Gegnern und ist zudem völkerrechtlich fragwürdig.
# Wir brauchen eine öffentliche Debatte zum Kriegskonzept, auf das wir setzen wollen und auf das wir uns zurüsten wollen. In öffentlichen Äußerungen üblich ist der Verweis darauf, dass Deutschland als Teil der NATO wegen grundgesetzlicher Vorgaben nur als zweiter schießen wird. Das ist ausweichend – und unrichtig. Es ist zu fordern, dass Deutschlands Militärs öffentlich wegkommen vom Denken in Intentionen und Übergehen zum Argumentieren in Fähigkeiten. ”

Entscheidender Fehler: Kein Rüstungskontrollangebot

über hinaus bemängelt auch Luhmann, dass weder der Beschluss zur Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland, noch die NATO-Rüstungspläne mit einem Verhandlungsangebot zur gegenseitigen Rüstungsbegrenzung ähnlich dem NATO-Nachrüstungsbeschluss von 1979 verbunden worden sind. Weder Bundeskanzler Merz, noch Verteidigungsminister Pistorius haben hierzu irgendeinen Plan. Selbst, wem klar ist, dass Putin derzeit wegen der Ukraine nicht zu Verhandlungen bereit ist, muss doch naheliegernderweise davon ausgehen, dass eine derartig massive Aufrüstung im Hinblick auf die ökonomische Situation Russlands für Putin und seine Nachfolger ein Anreiz sein muss, auf Angebote zur gegenseitigen Rüstungsbeschränkung einzugehen. Oder die NATO kalkuliert von vornherein die entsprechende Antwort der Gegenseite und damit eine Rüstungsspirale ein und nimmt eine steigende Kriegsgefahr in Europa billigend in Kauf. Entsprechend vernichtend fällt das Urteil Luhmanns bezüglich der NATO-Strategie aus:

“Der Nachrüstungsstrategie fehlt das konditionierende Rüstungskontrollangebot. Sicherheit ist bekanntlich eine Frage der Relation von militärischen Fähigkeiten beider Seiten – deshalb die zentrale Einsicht, dass Sicherheit nur durch Koordination der Gegner zu erreichen ist. Dieser Einsicht entspricht die NATO-Beschlusslage nicht. Ob die jetzt beschlossene Aufrüstungsrunde der NATO-Staaten zu mehr militärischer Überlegenheit führt, ist abhängig von der Rüstungsreaktion des Gegners. Die NATO-Beschlusslage ist nicht professionell angelegt, solange das Rüstungskontrollangebot fehlt.”

 

 

Zitate des Beitrags vom 30.6.2025 aus dem “Blog der Republik” von Hans-Jochen Luhmann,  ist Lehrbeauftragter für Klimapolitik an mehreren deutschen Hochschulen, Herausgeber der Zeitschrift „Gaia“ und Mitglied sowohl im Beirat der VDW als auch in deren Studiengruppe „Europäische Sicherheit und Frieden“.

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