Martin Böttger<p><strong><a href="https://extradienst.net/?p=95358" rel="nofollow noopener" target="_blank">Weltabgewandt</a></strong></p><p><strong>Die Schwäche der Demokrat*inn*en ist, was die Rechten stark macht</strong></p><p>Ein süddeutsches Leitmedium titelte heute morgen auf seiner Online-Startseite, selbstverständlich hinter digitaler Bezahlmauer: <em>“Wie fahrlässig war es, an Joe Biden festzuhalten? – Die Enthüllungen über den Gesundheitszustand des vorigen US-Präsidenten legen zugleich Schwachpunkte der Demokratie der Vereinigten Staaten offen. Kaum jemand stellte den Demokraten als Kandidaten infrage, obwohl davon Donald Trump profitierte.”</em> Lassen Sie sich den letzten Satz mal auf der Zunge zergehen, und drehen und wenden Sie ihn mit einem Minimum an Verstand.</p><p>Denn bei mir in Beuel, 6.400 km östlich von Washington, war dieses <em>“kaum jemand”</em> eine ganze Menge. Es war beständiges Diskussionsthema an Kneipentischen. Und die Teilnehmenden mit US-Herkunft schilderten ihre Paranoia, wenn sie diesen Mann nur im TV erspähten: wird er stolpern? Oder nicht?</p><p>Ich bin sicher, nein ich weiss es, dass es in den USA exakt das Gleiche war. Nur in einem Bunker (oder einer Wagenburg?) in Washington, aus dem nichts hinaus oder hinein dringt, muss es anders gewesen sein. Und vielleicht in einem deutschen Korrespondent*inn*en-Büro. Obwohl: die Aufmachung und das Anteasern der entsprechenden Texte dürfte eher Münchener als Washingtoner Fabrikat sein.</p><p>Wiekommichdrauf?</p><p>In der taz findet sich eine Reportage von Heike Holdinghausen zur Kommunalpolitik in … zufällig mal nicht Gelsenkirchen mit den dazugehörigen <a href="https://extradienst.net/2018/07/07/gelsenkirchen-und-die-gleichgueltigkeit/" rel="nofollow noopener" target="_blank">Kompetenzmängeln</a>, sondern ganz um die Ecke … in Potsdam.</p><p><em>“<a href="https://taz.de/Buergerentscheid-zur-Abwahl/!6086743/" rel="nofollow noopener" target="_blank">Bürgerentscheid zur Abwahl: Kein Bürgermeister des Vertrauens</a> – Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert ist umstritten, politisch hat er kaum noch Rückhalt. Am 25. Mai können ihn die BürgerInnen abwählen.”</em></p><p>Die Einschätzungen der Autorin kann ich mangels Ortskenntnis nicht bewerten. Aber ihre Beobachtungen können Sie so ähnlich in jeder deutschen Kommunalpolitik-Szenerie machen. Bei mir war es eine lange traurige Blog-Serie <a href="https://extradienst.net/?s=politisches+prekariat" rel="nofollow noopener" target="_blank">“Politisches Prekariat”</a>. Halbwegs begabte Drehbuchautor*inn*en könnten daraus endlose Streamingserien mit mannigfachen True-Crime-Elementen schreiben. Ich hatte schon mal mit dem Gedanken gespielt, mit einem entsprechenden Exposé bei <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Orkun_Ertener" rel="nofollow noopener" target="_blank">Orkun Ertener</a> in Köln zu klingeln, war dann aber doch zu faul und zu feige.</p><p>Ich will den guten Mann ja nicht nerven. Es gibt nicht mehr so viele Gute. In den TV-Anstalten sowieso nicht.</p><p>Das ist imgrunde … wie in der Politik. Was ich 2007 im “Freitag” (von Jakob Augstein gegen meinen Autorenwillen digital eingemauert) beschrieben habe, ist im Gipfel der Macht angekommen. Und ein demokratisch gesonnenes <em>“Leitmedium”</em> begreift es heute immer noch nicht.</p><p><strong>Weltzugewandt</strong></p><p>Nehmen wir, nur mal so als Beispiel, diese Meldung von Niklas Jan Engelking/heise aus der Welt des grossen Kapitals der Plattformökonomie: <em>“<a href="https://www.heise.de/news/Gespraeche-ueber-Onlyfans-Verkauf-fuer-8-Milliarden-US-Dollar-10395831.html" rel="nofollow noopener" target="_blank">Onlyfans soll für 8 Milliarden US-Dollar verkauft werden</a> – Die soziale Plattform für vorwiegend erotische Inhalte könnte verkauft werden – das Geschäftsmodell ist nicht unumstritten”</em>. Das <em>“nicht unumstritten”</em> bezieht sich auf die Frage, ob es sich bei dieser Handelsware in Teilen um legalen oder illegalen Porno handelt. Die dahinterstehende Ökonomie, aus der heraus das erst entstehen kann, scheint dagegen überhaupt nicht <em>“umstritten”</em>.</p><p>In einer 5-Minuten-Recherche fand ich immerhin grob heraus, wer sich hinter dem Käufer und dem Verkäufer verbirgt. Steuermann des Verkäufers <em>“Fenix International Limited”</em> ist <a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Leonid_Radvinsky" rel="nofollow noopener" target="_blank">Leonid Radvinsky</a>. Keine Ahnung, ob er verheiratet ist. Ein Ehevertrag mit nachfolgender Scheidung könnte ein lohnendes Invest sein. Beim potenziellen Käufer Forest Road Company handelt es sich um <a href="https://www.forestroadco.com/team" rel="nofollow noopener" target="_blank">diese sympathischen Damen und Herren</a>, deren Steuermann dieser sympathische Herr <a href="https://theorg.com/org/the-forest-road-company/org-chart/zachary-tarica" rel="nofollow noopener" target="_blank">Zachary Tarica</a> aus Los Angeles ist.</p><p>Und jetzt Ihre Hausaufgabe: zeigen Sie mir die aktuell aktiven deutschen Politiker*innen, die sich in diesen Angelegenheiten so gut auskennen, dass sie in der Lage wären, bei Bedarf im Interesse des Allgemeinwohls politisch einzugreifen, mindestens analyse- und handlungsfähig zu sein. Also ungefähr das, was sie geschworen und beeidet haben.</p><p>Meine steile Verschwörungstheorie: ich wette, die Herren Radvinsky und <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Len_Blavatnik" rel="nofollow noopener" target="_blank">Blavatnik</a> sind persönlich miteinander bekannt.</p>